Was bedeutet es für Sie „international“ aufgewachsen zu sein und wie findet sich das in Ihrer Musik wieder?
Für mich war es ein Glück, seit meiner Kindheit verschiedenen Kulturen nahe zu sein: ich wurde in San Sebastián geboren (Spanien, Baskenland), 20 km von der Grenze Südfrankreichs entfernt. In Biarritz wuchs mein Vater auf, nachdem er in Mexiko geboren wurde. Viele meiner Kindheitserin-nerungen stammen von “dieser anderen Seite”: Saint Jean de Luz, Biarritz… wir haben dort viele Nachmittage verbracht, und deshalb habe ich wahrscheinlich eine natürliche Beziehung zur franzö-sischen Musik von Debussy oder Ravel.Mit 3 Jahren trat ich in der Deutsche Schule ein, sodass die deutsche Kultur, seitdem ich denken kann, auch ein Teil von mir ist. Später lebte ich für drei sehr wichtige Jahre meiner musikalischen Ausbildung in Deutschland und führte mein Aufbaustudium in München mit dem Russischen Professor Vadim Suchanov fort. Vor Suchanov waren meine Professoren Claudio Martínez Mehner – ehemaliger Schüler von Bashkirov, Margulis, Fleisher und Rados -, und Cristina Navajas, Schülerin am Pariser Konservatorium in den 1960er Jahren. Ich denke, dass diese Mischung sowohl auf per-sönlicher Ebene als auch in meiner Klavier- und Musikausbildung dazu beigetragen hat, einen offe-nen und freien Geist aufzubauen, was sich sicherlich in meinen musikalischen Ansatz widerspiegelt.
Welcher Komponist hat Sie mit seiner Musik begeistert? Warum?
Es gibt mehrere Komponisten, die mich völlig einfangen. Einer von ihnen ist zweifellos Schumann, er war einer der ersten Komponisten, die mich als Kind angesprochen haben. Seitdem habe ich eine einzigartige und angeborene Verbindung zu seiner Musik gespürt. Sein „Emotionsstrom“ fesselt mich, von den temperamentvollsten, impulsivsten und dramatischsten bis zu den verträumtesten, poetischsten und zartesten Passagen. Und wie er von einem zum anderen schweift, ohne Vorwar-nung, ohne Filter, brutal menschlich und aufrichtig. Ein anderer Komponist, der mich fasziniert, ist der Katalane Federico Mompou, der sich in seinem Ausdruck stark von der Schumann-Romantik unterscheidet. Mompous Poesie ist voller Stille und Magie, die zur Selbstbeobachtung einlädt. Seine Einfachheit reicht auch direkt bis zur Seele, die sich mit der Essenz und Reinheit verbindet.
Was kann ein Klavier mehr als andere Instrumente, wenn es um musikalische Erzählungen geht?
Der große Vorteil eines Pianisten ist der Zugang zu dem enormen Repertoire, das für das Instrument existiert. Fast alle großen Komponisten widmeten einen Großteil ihrer Arbeit dem Klavier, sowohl solistisch, als auch kammermusikalisch und natürlich als Orchesterkonzert. Darüber hinaus lassen uns die 88 Tasten des Klaviers von einem Orchester träumen, das mit den Fingern dirigiert werden kann, mit einer Erweiterung des Klangs und einem sehr breiten Dynamikbereich, der viele Ausdrucksmöglichkeiten bietet.
Im Juni 2020 ist ihre CD mit den Werken von Robert und Clara Schumann erschienen. Was ist an dieser musikalischen Beziehung so romantisch?
Alles! Das Leben und Werk beider repräsentieren ‘die romantische Seele’, und ihre Beziehung enthält die Ideale der Romantik: Liebe, Leidenschaft, Sensibilität, Intensität, Respekt, Freiheit, Vi-talität, Hingabe, Licht, Dunkelheit, Freude und auch Leiden.
Sie sind an mehreren Bühnen aufgetreten, welche steht noch auf der Wunschliste?
In den letzten Jahren hatte ich das Glück, sehr schöne Möglichkeiten in Europa, Asien, Lateinamerika zu haben. Aber es gibt noch viele Bühnen auf der Wunschliste! Über bestimmte Konzerthallen hinaus ist es mein Wunsch und Traum, die Welt durch Emotionen und die Vereinigung von Musik kennenzulernen. Ich liebe es zu reisen, verschiedene Kulturen zu entdecken und in der Lage zu sein, zu kommunizieren. EinenTreffpunkt in der musikalischen Verbindung zu haben, ist eines der größ-ten Freuden meines Lebens.
Was macht man, als Musikerin, in Zeiten des Lockdowns?
Das erste, was als Person geschieht ist, sich des Privilegs bewusst zu sein, dass ich am Leben und gesund bin, und dankbar dafür sein, dass meine mir nahen Menschen auch in Ordnung sind. Es ist eine Situation, die die Seele trifft, wenn man so viel Leid, Angst und Unsicherheit sieht. Meine Waffe ist es, die meiste Zeit im Studio zu verbringen, ein neues Repertoire zu lernen, zu projezieren, in welcher Musik ich mich in den nächsten 2-3 Jahren sehe, und daran zu arbeiten. Ich beschäftige mich mit Meditation, etwas, dass ich schon seit einiger Zeit mache, und jetzt habe ich die Möglichkeit, es täglich zu üben. Es tut mir sehr gut und ich möchte es beibehalten, wenn der Rhythmus von Reisen und Leben zurückkehrt. Ich lese, ich schreibe, ich verbringe Zeit mit meiner Familie, ich koche (was ich liebe!)… Und träume davon, beim Live-Spielen wieder den gemeinsamen Atem des Publikums zu fühlen. Streamings sind positiv, um die Flamme der Kultur am Leben zu erhalten, aber es gibt nichts Vergleichbares, als das, was in einem Konzertsaal „geboren“ wird. Hoffentlich kann ich in den kommenden Monaten die geplanten Konzerte in Spanien, Italien und der Schweiz spielen!